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Zwischen Bürgerhinweisen, Scraping und EU-Verordnung

Während Plattformen wie Online-Buchungsportale florieren, kämpfen Bezirksämter und Senat mit der Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots. Einige Außenbezirke geben an, in manchen Jahren seit 2019 keinen einzigen Euro eingetrieben zu haben. Pankow verhängt seit 2020 Bußgelder in fünfstelliger Höhe, hat aber über 200.000 Euro an offenen Forderungen. In Mitte stiegen die Einnahmen von 55 Euro (2021) auf knapp 80.300 Euro (2024), während Friedrichshain-Kreuzberg seit Jahren konstant sechsstellige Summen erzielt. (Tagesspiegel, 4. Februar 2025)

Illegale Ferienvermietung bleibt in Berlin ein Problem und konkurriert mit legalen Unterkünften, deren Auslastung noch nicht das Niveau von 2019 erreicht hat. Das Zweckentfremdungsverbot sollte Abhilfe schaffen, doch der Berliner Rechnungshof kritisiert 2024 in seinem aktuellen Bericht Defizite in der Umsetzung. Dadurch entgehen der Stadt Millionen an Steuereinnahmen, während dringend benötigter Wohnraum für Mieter und Fachkräfte fehlt. Der DEHOGA Berlin fordert daher eine konsequentere Verfolgung illegaler Angebote und eine wirksame Umsetzung der bestehenden Regelungen und haben bei Politik, Behörden, der Plattformwirtschaft und Berliner Hotels nachgefragt: Welche Maßnahmen plant der Senat, um illegale Ferienwohnungen effizienter zu ahnden? Wie setzen einige Bezirke konsequent hohe Bußgelder durch, während andere kaum aktiv werden?

Bürgerhinweise

Einigkeit besteht bei den Bezirksämtern Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow darüber, dass Bürgerinnen und Bürger eine entscheidende Rolle bei der Identifikation illegaler Ferienwohnungen spielen. Laut der Pressestelle des Bezirksamts Mitte „stellt die Bevölkerung die größte Hilfe dar, da sie uns aktiv Inserate mit aussagekräftigen Informationen zu den Wohnungen zur Verfügung stellt“. Auch das Bezirksamt Pankow verweist darauf, dass erfolgversprechende Hinweise „zum Beispiel von Nachbarn stammen, die die Adresse und die genaue Lage benennen und Beweismittel liefern“. Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg werden „Verdachtsfälle (..) durch Bürgerhinweise und eigene Recherchen durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überprüft.“ Dabei sind präzise Angaben notwendig, um eine gerichtsfeste Prüfung durchzuführen.

Scraping

Lange wurde diskutiert, ob Scraping dabei helfen könnte, Verstöße systematisch aufzudecken. Scraping ist das automatisierte Sammeln von Daten aus Online-Plattformen, um illegale Kurzzeitvermietungen aufzudecken. Laut Martin Pallgen, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, hat sich der Senat gegen eine Weiterführung entschieden: „Nach einem Testlauf des automatisierten Verfahrens haben wir festgestellt, dass eine Etablierung vor dem Hintergrund einer europaweiten Regelung kurzfristig nicht umsetzbar wäre.“ Der Fokus liege nun auf der EU-Verordnung 2024/1028, die eine verpflichtende Datenübermittlung der Plattformen an Behörden vorsieht. Die Bezirke reagieren skeptisch, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zum Beispiel erprobt eine Teilautomatisierung der Datenauswertung mit einem IT-Unternehmen. „Ziel ist es, Scraping gezielt als unterstützendes Instrument zur Identifikation auffälliger Inserate einzusetzen“, erklärt die Pressestelle des Bezirks. Der Bezirk Pankow fordert: „Es ist dringend notwendig, über die Anwendung der EU-Verordnung hinaus eine automatisierte, auf KI basierte Fachanwendung zu entwickeln und den Bezirken zur Verfügung zu stellen.“ In Mitte steht laut Pressestelle des Bezirks „zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein geeignetes Verfahren zur Verfügung um proaktive Ermittlungen durchführen zu können.“

Plattformen als Teil des Problems?

Während Behörden auf Daten von Online-Buchungsplattformen angewiesen sind, zeigen sich diese nach Einschätzung der Bezirke wenig kooperativ. „Die allermeisten Ferienwohnungsportale signalisieren keine Mitwirkungsbereitschaft. Im Gegenteil wird versucht, die illegalen Angebote vor einem Zugriff der Behörden zu schützen“, so das Bezirksamt Pankow. Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg betont, dass „die gesetzlich vorgesehene Datenübermittlung durch die Plattformbetreiber bislang nicht in ausreichendem Maße erfolgt“. Die EU-Verordnung 2024/1028 soll ab Frühjahr 2026 eine direkte Datenübermittlung von Plattformen an Behörden vorschreiben. „Durch sie wird künftig ein Datenaustausch zwischen Onlineplattformanbieter und Behörden möglich sein, so ist eine direkte Kontrolle der
Ferienwohnungen über den Onlineplattformanbieter gegeben“, so Martin Pallgen. Das Bezirksamt Mitte gibt zu bedenken: „Hier ist fraglich, ob sich Plattformen nicht auch gegen die Umsetzung der EU-Verordnung gerichtlich zur Wehr setzen werden auch gegen die Umsetzung der EU-Verordnung. Bislang hat eine Plattform hierdurch eine langjährige Verzögerung der Datenweitergabe erreicht. Die Gerichtsverfahren dauern leider mehrere Jahre. Eine schriftliche Anfrage an ein bekanntes Buchungsportal blieb unbeantwortet.

Wohnungsnot und Steuerverluste

Die Bekämpfung illegaler Ferienwohnungen in Berlin bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Während der Senat auf die Umsetzung der EU-Verordnung setzt und die Bezirke eigene Maßnahmen ergreifen, entgehen der Stadt erhebliche Steuereinnahmen. Die ohnehin angespannte Wohnungsmarktsituation in Berlin wird durch die Zweckentfremdung von Wohnraum zusätzlich verschärft, da illegale Ferienwohnungen dringend benötigte Mietwohnungen dem regulären Markt entziehen.

Ferienwohnungen seien eine Ergänzung zu den Angeboten der Hotellerie, sofern sie sich an die Richtlinien und Auflagen der Beherbergungsbranche halten etwa durch das Abführen der CityTax oder die Einhaltung des Brandschutzes. „Doch illegale Angebote lehnt der Verband ausdrücklich ab“, betont Gerrit Buchhorn, Hauptgeschäftsführer DEHOGA Berlin. Relevante Stakeholder sind angehalten, gemeinsam schnellstmöglich Lösungen zu finden: für eine konsequentere Identifizierung, eine effektivere Ahndung, zeitnah und mehrgleisig. „Als kleines Familienunternehmen ärgert uns die Untätigkeit des Berliner Senats in dieser Frage seit über 20 Jahren“, betont Uwe Hauptmann, Inhaber und Geschäftsführer des Hotels Kastanienhof. „Wenn man den Bericht des Berliner Rechnungshofes liest, sieht, wie viele Millionen an Steuereinnahmen Berlin durch illegale Ferienwohnungen entgehen, kann man nur verzweifeln.“

Neben den finanziellen Einbußen für die Stadt verschärft sich die Lage in Berlin nicht nur im Gastgewerbe: Dringend benötigte Mitarbeitende finden immer seltener bezahlbaren Wohnraum in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. „Illegale Vermietung (…) und die Versäumnisse dagegen vorzugehen, vernichten dringend benötigten Wohnraum für unsere Mitarbeitenden. Wir trauen uns kaum Bewerberinnen und Bewerber anzunehmen, die noch nicht in Berlin ansässig sind, da es fast unmöglich geworden ist, in einer angemessenen Zeit eine Wohnung zu finden“, erklärt Anja Schneider, Geschäftsleiterin Citylight Hotel und Stellvertretende Vorstandsvorsitzende visitBerlin Partnerhotels. Zum Fachkräftemangel kommt so noch die Wohnungsnot hinzu. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, welchem Risiko Gäste ausgesetzt werden, wenn Brandschutz- oder Sicherheitsauflagen nicht eingehalten werden. „Niemand möchte erleben, dass erst ein Unglück geschieht, bis endlich bestehende Verordnungen konsequent umgesetzt werden“, warnt Schneider. Der DEHOGA Berlin fordert daher eine strikte Umsetzung der bestehenden Regelungen sowie eine verbesserte Kontrolle, um der fortschreitenden Wohnraumzweckentfremdung entgegenzuwirken. Nur so kann verhindert werden, dass die Stadt weiterhin dringend benötigte Steuereinnahmen verliert und sich die ohnehin angespannte Wohnsituation für Bürgerinnen und Bürger weiter verschlimmert.

Beitrag stammt aus der April-Ausgabe 2025 der hogaAKTIV

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